10. Die Rolle der Kunst

Seit Beginn der sozialdemokratischen Ära in der Ersten Republik spielt die Kunst als kulturelle Ausdrucksform eine spezifische Rolle im öffentlichen Wohnbau. In den Nachkriegsjahren gab es ein fast flächendeckendes Programm, um Gemeindebauten mit Wandmosaiken, Plastiken und künstlerisch gestalteten Gebrauchsobjekten wie Spielplätzen, Brunnen und Pavillons zu bestücken, das zugleich auch als wirtschaftliche Unterstützung für KünstlerInnen in einem noch nicht existierenden Kunstmarkt fungierte. Anfang der 1990er-Jahre löste sich das enge Verhältnis zur Architektur und die Kunst am Bau entwickelte sich zur Kunst im öffentlichen Raum. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der urbane Raum nur in seinem gesellschaftlichen Kontext zu begreifen ist, wurde 2004 mit der KÖR GmbH (Kunst im öffentlichen Raum Wien) eine Institution geschaffen, die zeitgenössische Kunst im Stadtraum fördert und Projekte realisiert, die diesem Verständnis von Kunst entsprechen. Als „Kunst im öffentlichen Interesse“ werden seither künstlerische Praktiken an­gesehen, die sich zum Teil sozialen und urbanen Themen widmen und den großstäd­tischen Alltag mit seinen sozialen und politischen Kontexten und divergierenden Interessen prägen. Unabhängig von diesen Programmen findet im Kunstkontext zunehmend eine globale Auseinandersetzung mit Wohnen, Leben in den Städten und einem Verständnis von Öffentlichkeit statt, die als fragmentierter und demokratischer Raum ständig neu herzustellen ist. Beispielhaft befassen sich die ausgewählten künstlerischen Ar­beiten, die sich alle auf den Kontext Wien beziehen, mit einigen Aspekten und Reibungsflächen, die in den aktuellen Diskursen zur Wohnungsfrage virulent sind.

Text: Sabine Bitter & Helmut Weber